Spätestens seit Kipchoges phänomenalen, wenn auch inoffiziellen sub 2h Rekord für die Marathonstrecke sind sie im Mainstream angekommen: Laufschuhe mit Carbonsohlen. Doch sind Carbonschuhe wirklich sinnvoll? Wer profitiert wirklich davon und sollten Laufanfänger eher die Finger davon lassen? Die Antworten findest du hier!
Ein neues Wundertool – Laufschuhe mit Carbon
Es ist gang und gäbe, dass man sich heutzutage wie ein Profi mit Equipment eindeckt, bevor man überhaupt einen Schritt in der entsprechenden Sportart getan hat. Von der einen Seiten als Wundermittel für schnellere Kilometerzeiten gehuldigt, sprechen Kritiker von dramatischen Folgen für die Biomechanik für den gesamten Bewegungsapparat.
Dabei sind sie selbst bei Freizeitsportlern nicht mehr wegzudenken. Beim Marathon in Frankfurt am 27.10. habe ich selber ein gängiges Modell getragen – wie sehr viele meiner direkten Mitstreiter übrigens auch. Nike priest in einer Studie von 2018 seinen „Vaporfly an, wodurch Läufer durchschnittlich 4 % an Effizienz gewinnen konnten. Hier ist aber darauf zu achten, dass Effizienz nicht direkt mit Geschwindigkeit gleichgesetzt werden kann. Und verheimlicht gleichzeitig, dass nur Laufgeschwindigkeiten zwischen 16 und 18 km/h untersucht wurden. Eine unabhängige Studie der University of Colorado Boulder aus 2019 formuliert hier etwas konservativer: Carbonschuhe können zu einer Steigerung der Geschwindigkeit je nach Läufer von 1-3 % führen können.
1% klingen natürlich nach nicht viel, auf eine Marathonrennzeit von 3 Stunden bezogen, würde man diesen aber 108 Sekunden schneller Laufen und wäre so unter den magischen 3 Stunden angelangt. Einfach so. Natürlich kommt man dann ins Grübeln, ob sich so ein Schuh lohnt.
Carbonschuhe: Was ist neu an den Laufschuhen?
Doch wie genau verändern Laufschuhe mit Carbon die Laufeffizienz? Namensgebend für die Schuhe ist das Vorhandensein einer weiteren Platte im Schuh, bestehend aus Carbon. Carbon besticht mit zwei markanten Materialeigenschaften: Es ist leicht und steif. Letzteres sorgt dafür, dass der Schuh ebenfalls steif beim Abrollen des Fußes bleibt. Dabei tritt ein Katapulteffekt auf, welcher den Läufer stärker nach vorne drückt und dadurch den Bewegungsablauf energieeffizienter gestaltet. [1]

In Kombination zur Carbonplatte verwenden die gängigen Hersteller eine Zwischensohle mit hoch dämpfenden Materialien, siehe Lightstrike Pro von Adidas oder ZoomX von Nike. Diese Schaumstoffe schützen zum einen besser vor kleineren Mikroverletzungen, die vor allem bei längeren Distanzen auftreten. Hierdurch tritt auch der positive Effekt auf, dass die Erholungszeit verkürzt wird. Neben dieser Dämpfung sind sie aber auch bei der Energierückgabe beteiligt. Zu diesem Schluss kam zumindest eine Untersuchung von Hogkamer et al. im Jahre 2018. Die Wissenschaftler konnten beweisen, dass der Nike „Vaporfly“ die Laufökonomie im Vergleich zu herkömmlichen Schuhen um 4 %. Maßgeblich für diese Verbesserung war die Kombination aus Schaumstoff und Carbonplatte. [2]. An dieser Stelle sei aber erwähnt, dass Hauptsponsor des Papers Nike selbst war. Und Nike hatte einiges bei der Entwicklung in die Gewichtsreduktion der Schuhe gesteckt. Ein Faktor, der ebenfalls positiv zur Geschwindigkeit beiträgt und das ganz ohne Carbonplatte.
Profitieure der Carbonplatte im Schuh
Wer profitiert nun von der Verwendung von Carbonschuhen? Nur Eliteläufer oder sind Carbonschuhe auch für Hobby-Läufer sinnvoll? Oder ist es am Ende von der Gesamtstrecke abhängig und es profitieren nur Marathonläufer?
Da die Schuhe die Laufökonomie verbessern, bedeutet dies unter dem Strich, dass pro gelaufenen Kilometer weniger Sauerstoff benötigt wird. Hier könnten also vor allem im Langstreckenrennen Zeitvorteile entstehen. Es ist aber immer wieder davon zu lesen, dass die Effekte grundsätzlich von der erbrachten Geschwindigkeit abhängen und dabei schnellere Läufer stärkere Einsparungen aufweisen. Die Studie von Hoogkamer et al. kann dem zumindest widersprechen: Für einen Tempobereich von 14 bis 18 km/h stellten die Autoren bei Ihren Untersuchungen fest, dass die Energieeinsparungen konstant bleiben. Die Autoren Barnes & Kilding [3] kamen 2019 zu dem Schluss, dass in einem Geschwindigkeitsbereich zwischen 14 und 18 km/h eine verbesserte Laufökonomie zeigte. Die Gruppe bei 18 km/h konnte aber am stärksten profitieren. Bei dieser Studie ist übrigens kein größerer Schuhhersteller als Sponsor aufgeführt. 14 km/h entspricht im Übrigen einer Pace von 4:17 min/km – auf einer 42 km langen Strecke sicher schon sportlich.
Wie sieht es für langsamere Freizeitsportler aus, sind Carbonschuhe auch für Laufanfänger geeignet? Es gibt eine Arbeit aus dem Jahr 2022 [4]. Hier lag die Laufeffizienzsteigerung bei 12 km/h noch bei 1,4 % bzw. 0,9 % für 10 km/h.
Die Nachteile der Carbonschuhe – hohe Preise und Verletzungsrisiken
Stellt sich an dieser Stelle natürlich die Frage, was mit potenziellen Nachteilen von Carbonschuhen ist – die hier evtl. teuer erkauft werden für etwas mehr Geschwindigkeit. Und das ist wörtlich zu verstehen, da die Preise für die Topmodelle der einzelnen Hersteller bei guten 300 € liegen. Insbesondere durch die extrem kurzen Lebensdauern der Platten stehen Kosten und Nutzen in keinem guten Verhältnis.
Ein weiterer Nachteil wurde oben im Text bereits herausgearbeitet. Der positive Effekt ist wesentlich geringer bei niedriger Geschwindigkeit und es stellt sich an dieser Stelle zurecht die Frage, ob es nicht z. B. sinnvoller wäre am Training zu feilen.
Der größte Nachteil sind vermeintlich erhöhte Verletzungsrisiken bei der Nutzung von Carbonschuhen, zu denen vermehrt Berichte auftreten [5]. Hierbei berichten einige Läufer über gehäuft auftretende Schmerzen im Bereich der Waden oder Achillessehnen. Auch wird die Abrollbewegung des Fußes durch die Steifigkeit der Solle maßgeblich beeinflusst. Also biomechanisch gibt es gewaltige Unterschiede, weswegen kritische Stimmen lauter werden. An dieser Stelle muss aber erwähnt werden, dass oftmals Wissenschaftler und Ärzte zu dem Schluss kommen, dass viele Probleme sich vermeiden ließen, wenn eine langsame und kontrollierte Eingewöhnung mit diesem Schuhtyp erfolgt. Berichte über Knochenstressfrakturen können auch teilweise dadurch entkräftet werden, dass diese generell oft bei Läufern auftreten – unabhängig von verwendeten Schuhtyp. Einfach dadurch begründet durch die teils sehr hohen läuferischen Laufumfänge. Weiterhin lässt sich sagen, dass es sich immer noch nur Einzelfallberichte handelt. D.h. letztendlich muss hier abgewartet werden, bis Langzeituntersuchungen durchgeführt worden sind. Bis dahin sollten sie zumindest mit bedacht eingesetzt werden. Der Umstieg zu höheren Laufumfängen sollte nicht abrupt erfolgen oder das tägliche Training gar ausschließlich mit Carbonschuhen erfolgen.

Fazit – Carbonschuhe sinnvoll?
Wie sinnvoll sind nun Laufschuhe mit einer Carbonplatte? Aus dem heutigen Wettkampfbild sind Carbonschuhe zumindest nicht mehr wegzudenken. Die Leistungssteigerung liegt auf der Hand, das konnten Untersuchungen als auch immer schnellerer Laufzeiten in den letzten Jahren bestätigen. Die Vorteile für Effizienz und Geschwindigkeit treten vollends erst bei schnelleren Läufern auf. Dennoch treten positive Effekte auch schon in den Bereichen von 10 bis 12 km/h auf. Ob ein Hobbysportler wirklich darauf angewiesen ist, bleibt fraglich. Zumal in diesem Geschwindigkeitsbereich sicher noch viele und meistens kostengünstigere Stellschrauben zur Verfügung stehen.
Für Hobbyläufer bringen Carbonschuhe also auch Vorteile, mit ein paar Risiken. Wer auf Carbon laufen möchte, sollte sich genügend Zeit zur Eingewöhnung lassen, um Verletzungen zu vermeiden und ein Teil der Trainingsläufe, vorzugsweise schnellere Tempoeinheiten, hierfür nutzen. Experten raten zumindest davon ab, das tägliche Training komplett mit diesen zu absolvieren.
Quellen:
[1] DOI: 10.1249/01.mss.0000193562.22001.e8
[2] DOI: 10.1007/s40279-017-0811-2
[3] https://doi.org/10.1007/s40279-018-1012-3
[4] DOI: 10.1249/01.mss.0000882908.08780.07
[5] DOI: 10.1007/s40279-023-01818-